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Leiden



Eine kaum definierbare Zeit war vergangen...

Kevin, ich habe keinen Mut mehr! Ich höre nichts von außen! Hörst du was?

Nein, Maja, es ist wirklich sehr ruhig, aber es sind doch auch erst vielleicht 10 Stunden vergangen und wir müssen Geduld haben. Freu dich, wir haben uns und unsere Sprache, die wir beide verstehen und wir haben einen unerschütterlichen Mut! Wir sind nicht verletzt und haben noch viele Chancen, wirklich, glaube mir!

Ich sprach immer wieder etwas Positives und sprach in diesen Momenten nicht nur mir sondern auch Maja Mut und Überlebenswillen zu.

Ich litt unter der Finsternis und stellte mir vor, ich könnte sehen wo ich war. Ach, könnte ich Maja sehen und das Gefühl von Körpersprache und Augen-zwinkern oder eben etwas Fröhliches verbreiten allein durch das Sehen.

Lass uns Lachen und weinen, Maja, lass uns versuchen in Fröhlichkeit zu denken, berühre mich mit deinen Händen und deinem Körper und fühle das Leben und die Wärme. Ich kann dir sagen, ich liebe dich für deine Anwesenheit und für dich als Person. Auch wenn wir durch einen solchen Zufall so zusammengekommen sind. Ich will dich behüten und beschützen wo ich nur kann.

Es gibt Lebewesen, die leben ihr ganzes Leben in Dunkelheit. Jemand der blind ist fühlt nur die Zuneigung und Wärme. Die Umgebung bleibt für ihn unsichtbar, eben nur fühlbar. Das ist für Sehende ein fast unvorstellbarer Zustand, aber man kann auch nur so leben!

Ja, Kevin, ja, ich bin noch so jung und will noch nicht sterben!

Na klar, Maja, ich will auch noch nicht sterben. Aber wir werden gerettet, wir beide werden gerettet. Versuche dir immer wieder zu sagen wir werden gerettet..., bitte, sage es laut wenn du willst. Sprich mit mir darüber was du denkst... Sprechen ist das einzige was uns in dieser Finsternis als Geräusch verbindet. Wir müssen das nutzen.

Wir machen alles damit sich unsere Chance erhöhen!

Ich drücke dich an mich, ich bin da, ich küsse und streichle dich und gebe dir meine Wärme und schenke dir einen Berg von Zuversicht.

Nimm sie hin diese Zuversicht und gib uns beiden die Kraft zu überleben.

Ja, Kevin, ich liebe dich. Du wirst von mir alles bekommen, was du willst, ich helfe dir und mir und liebe dich, auch wenn ich ständig weinen muss. Küsse mir die Tränen fort und trinke von mir. Wenn du weinst will ich es auch tun, weine für mich und lösche meinen Durst und gib mir Leben durch dich.

Bitte berühre mich, bitte, bitte...!


Unsere Situation war ziemlich problematisch! Wir konnten nichts hören, keine Geräusche von außen, aber auch keine Erdbeben oder Bewegungen, nur Dunkelheit und eine undefinierbare Raumsituation. Ich wusste nicht, ob sich über uns noch viel Betonschutt befand oder ob die Decke über uns sich stabil zusammengedrückt hatte.

Wir hatten unsere Worte und unsere gegenseitiges Fühlen. Ich konnte mir keine Vorwürfe für nichts machen, aber auch nicht abschätzen wie ich handeln musste damit wir glücklich und unbeschadet davon kamen.

tock, tock, tock

**

Kevin, glaubst du an Gott?

Nein!

Warum nicht?

Da muss man sich erst einmal fragen was Gott sein soll! Ich habe die Überzeugung, dass es keinen Gott geben kann wie er durch die vielen Vorstellungen von Göttern der Menschen und durch den Gott der Kirchen aufgestellt wird.

Jeder kann seinen eigenen Glauben an einen Gott haben. Wenn er dann damit glücklich wird ist das in Ordnung. Aber es gibt keinen Gott den wir für unser Handeln verantwortlich machen können. Wir handeln selbstverantwortlich. Weder Gesetze noch andere Regeln bestimmen unser Handeln! Nur unser eigenes Denken steuert uns Wir sind frei zu tun was wir wollen und müssen dabei aber auch akzeptieren, dass es Auswirkungen unseres Handelns gibt, die wir verantworten müssen.

Kannst du dir beispielhaft vorstellen, dass ein Gott in einer Unendlichkeit existiert, die sich daraus ergibt, dass Gott ALLES ist, eben auch die Unendlichkeit? Es könnte sein, dass wir Menschen eine existierende Art von Leben in einer unendlichen Form sind. Sollte es dieser Form, als Gott, mal irgendwo jucken, dann wird er sich kratzen. Sind wir der Auslöser dieses Juckens, dann wird er seine angenommenen Hände nehmen und uns damit einfach fortkratzen. Alles was wir als Sonnensystem ausmachen wäre im nun hinfort gekratzt.

Wie meinst du das,? Wie groß ist denn dann Gott?

Nun, denn, eben unendlich! Also besser ist zu verstehen wie klein wir sind. Demnach wäre unser Sonnensystem so klein wie zum Beispiel ein Atom, also winzig in der Unendlichkeit. Und hoffentlich sind wir in der Unendlichkeit kein Krebsgeschwür dann könnte man sich vorstellen Gott würde uns in einer seiner großen Vollkommenheit herausoperieren und entsorgen!

Nein, ich glaube an keinen Gott. Ich glaube eher an die Überzeugung über meine Vorstellung vom Sinn des Lebens. Ich habe gerne etwas, was ich anfassen und begreifen kann. Da keiner auch nur die kleinste Vorstellung von der Wirklichkeit hat, bleiben alle Beschreibungen nur vage Vermutungen. Wenn sich aber Vermutungen herausnehmen als eine treibende Kraft für die Manipulationen des Lebens, eben auch der Menschen durch die Menschen zu gelten, dann ist das einfach öffentliche Lüge. Dieses dient nur der Vorteilsnahme durch einige wenige.


**

Unsere Verantwortung für uns und andere ist eine ganz wichtige Voraussetzung für alles.

Wenn ich dich streichle und umarme, so nackt wie wir zufällig hier zusammengekommen sind, dann darf ich dieses nach der Standardregel nicht, weil es Missbrauch wäre dich in deiner Jugend so anzufassen, doch in unserer Situation gelten andere Bedingungen. Ich will dich schützen und behüten und dir und uns helfen dich und mich zu retten, egal wie wir das hinbekommen.

Kevin, ich wünsche mir das nichts sehnlicher. Ich bin so traurig und so voller Angst. Ich will noch nicht sterben und möchte dir helfen wo ich nur kann. Sage mir was ich tun kann?!

Liebe Maja, lass uns eben über alles sprechen. Lass uns handeln wie wir es können und wollen. Denke an schöne Musik, die dir gefällt! Stelle dir die Sonne vor, warmes Wasser, Wärme und Geborgenheit und denke an dein Ziel hier herauszukommen... ich will dir wirklich helfen...

Ja, Kevin, ich habe noch nie einen Menschen wir dich kennen gelernt. Ich bin vielleicht immer ziemlich oberflächlich gewesen aber ich weiß ich bin auch sehr empfindsam... weißt du, das Leben ist manchmal so ungerecht und manche Menschen sind einfach blöd. Die leben so dahin ohne sich zu überlegen wie schön es sein kann. Glaube mir, ich finde das Leben manchmal auch ziemlich öde.

Ja, ich war ja auch mal jünger und hatte, glaube ich, die gleichen Gedanken wie du. Es gibt irgendwann eine Zeit in der man anders darüber nachdenkt. Du hast in deinem Alter vielleicht noch nicht so sehr viel erlebt und wirst mit jedem Jahr, fast mit jeder Sekunden schlauer oder lernst etwas dazu was dich prägt.

Du, Kevin, ich muss mal!

Was?

Ich muss mal pinkeln!

Oh, Maja, ich kann es sowieso nicht sehen, also schäme dich nicht dafür! Warte aber mal einen Moment!

Wir brauchen Feuchtigkeit, weißt du, auch wenn es vielleicht ein unangenehmes Gefühl ist, wäre es gut, wenn du deinen Urin nutzt.

Man kann Urin trinken, zu mindestens dir deinen Mund damit ausspülen, auch wenn es dich ekelt!

I..., Ich weiß nicht!?

Maja, es hilft dir vielleicht ein paar Stunden länger zu überleben?!

..hmm.., meinst du?

Ich habe davon gelesen. Urin ist nicht Schlimmes und muss nicht ekelig sein wenn man da etwas drüber nachdenkt. Im normalen Leben benötigen wir keinen Urin für das Leben, aber wir haben hier einen wirklichen Sonderfall.

Wie soll ich das denn machen, Kevin?

Nimm doch deine Hand und fange deinen Urin in deiner Hand auf. Erst etwas und dann stoppen und dann etwas mehr, versuche es einfach mal. Oder soll ich dir helfen?

Nein, bitte nicht!

Ok, Maja!

Ich will es mal versuchen!


Ich konnte hören wie Maja versuchte und nahm mich zurück, auch damit ich ihre Schamhaftigkeit darüber nicht noch steigerte.

Kevin, ich habe es gemacht! Ich habe etwas auf mein Gesicht getan und etwas in meinen Mund, irgendwie schmeckt es salzig, aber ich schmecke sowieso nichts mehr.

Ich kann aber nicht alles auf einmal und ich muss etwas mehr...!?

Ok, wenn du darüber hinweg kommst, dann trinke ich etwas davon??!

Hmm...??!... das ist schon sehr... , aber ich kann nicht mehr...!


Maja öffnete ihre Hand und versuchte ihre Flüssigkeit aufzufangen. Ich nahm ihre Hand und benetzte damit mein Gesicht und meinen Mund und nahm ein wenig von Majas Urin in mich auf.

Dieser ganze Vorgang war zunächst zu ungewöhnlich ihn zu beschreiben. Ich hatte keinen Ekel davor, aber ich brauchte schon Überwindung dazu. War das Überleben an keine Regel gebunden als alles zu nutzen damit wir da durchkommen?

Ich fasste Majas Kopf und flüsterte etwas leiser in Majas Ohr...

Wir wollen überleben...!

Wir sind so stark, alles zu tun damit dies gelingt. Wenn wir selbst die ungewöhnlichsten Handlungen machen und uns derer nicht schämen, brauchen wir keine Angst vor dem Tod zu haben. Ich liebe dich mit allen deinen Teilen und Handlungen und sollten wir es nicht schaffen, dann sterben wir gemeinsam. Doch wir dürfen niemals aufgeben...

Maja, hörst du?


Ich setze mich aufrecht, da dies zwischendurch immer mal notwendig war. Stehen konnte ich nicht, denn dann begann bald die Betondecke.

Ich zog Maja sitzend an mich. Wir saßen, ich angelehnt mit dem Rücken an einer Wandfläche und Maja in mich hinein gekuschelt.

Ich hatte meine Arme um Maja gelegt und streichelte und massierte ihre Haut immer wieder zwischendurch, so dass sie etwas Wärme bekam, ich mich bewegte und wir in der Dunkelheit fühlen konnten wie wir einander nötig hatten.

Maja, ist es schlimm wenn ich dich so streichle? Du weißt, eigentlich darf ich das nicht, egal ob du mir das erlaubst oder nicht? Wenn du es nicht willst, dann mache ich das auch nicht... bitte, bitte sage es mir!

Lieber Kevin, es ist total in Ordnung und ich fühle mich dabei sehr wohl, wirklich. Du musst mich nicht danach fragen.. streichle und berühre mich wo du willst... du darfst das... wenn nicht du, wer denn sonst?

Ok, ich bleibe sensibel zu dir...


Ich konnte es mir gar nicht mehr vorstellen wie es wäre, wenn ich alleine in dieser Situation hätte sein können. Keine Gespräche, keinen Grund mich zu motivieren mehr positiv zu denken. Nichts, was mich zu besonderen Aktivitäten veranlasst hätte. Vielleicht wäre ich in Lethargie verfallen, hätte meinen Lebenswillen komplett verdrängt und wäre schon in den ersten Stunden mutlos zusammengesunken.

Ich spürte Majas leichten, zarten Atem, fühlte ihren Busenansatz, ihren Kopf, ihre Haare, verwuschelt und alles staubbedeckt, legte meine Arme um ihren Bauch und strich ihr über die Beine, die sie angewinkelt hatte. Ich massierte ihre Füße, ihre Unter- und Oberschenkel und ihre Körperseiten und ich meinte zu fühlen, wie sie doch etwas wärmer wurde.

Wieso war es überhaupt so kalt in dieser warmen Gegend? Hatte es etwas mit dem Beton zu tun, diese dicken, festen Betonwände und das zerbröselte durch das Beben zerstörte Betongestein. Wie gut, dass wir Luft bekamen, auch wenn es immer noch staubig roch und auch staubig war. Bei jeder Bewegung mussten Heerscharen von Staubpartikeln aufwirbeln und uns in die Lungen dringen. Wir konnte zwischendurch Husten und Keuchen, aber es war dennoch auszuhalten.

Maja strich mir über meine Beine, die ja auch durch die fast unbewegliche Situation weniger durchblutet wurden und eben auch kalt waren. Ich bewegte ganz bewusst meine Muskeln so gut es ging im Sitzen und konnte mir somit etwas Bewegung verschaffen.

Bei unseren Berührungen waren weder Überlegungen der Unschicklichkeit oder andere tiefere Regelüberlegungen angebracht. Es ging ums Überleben in einer fast aussichtslosen Situation. Unsere Rücken wurden wärmer, Maja, eingekuschelt in der Sitzhaltung und die Dunkelheit löste sich in unserem Gefühl des Zusammenhalts fast in Nichts auf. Dies war einfach ein wunderschönes Fühlen und gab uns Kraft für die nächsten Stunden.





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