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Moment



Der Moment des Richard Meister....

Es gab schöne Zeiten in denen man so vor sich hindösen konnte.Besonders, wenn man die Sonne zwischen weißen Wattewolken hindurchscheinen sah und die Blumen und das Gras und alles so herrlich hell machte.Wochenlang hatte die Witterung sich in gleissender Sonne und mässigem Regen abgewechselt.



Jetzt endlich war es Urlaub und es war schon der zehnte Tag nach Tagen voller ereignisreicher aber dennoch erholsamer Untätigkeit.

Grillen zirpten des Nachts und die Vögel zwitscherten tagsüber. Alles so unbekannte Wesen, weil man sie häufig gar nicht sehen konnte, nur erahnen, aber hören. Ameisen und Käfer krabbelten über das trockene Wiesengras und um die Birke war das Gras fast bis zum Erdrand abgetrocknet.Leicht wellte sich die Grasfläche bis zu den weniger gemähten und kurzgehaltenen Erdflächen. Wehe es würde ein Streichholz oder eine glühende Zigarettenkippe ein Feuer entfachen, dies wäre eine Katastrophe. Mit etwas Phantasie konnte man sogar bergige Landschaft aus der Wiesenniederung und den Höhen erkennen, die aber bei den Grössenverhältnissen Mensch zur Umwelt nicht besonders ins Gewicht fiel.

Richard war ein Industriemensch. Er liebte seine Gegenstände genauso wie die Menschen, die um ihn herum waren. Seine Frau und seine drei Kinder fühlten seine Sorge um sie, aber auch die Gefühlsabstände eines Industriemenschen, der tagtäglich um das kämpfen musste, was er Lebensstandard nannte.

Die Arbeit und die Lebensversorgung Richards brachten es auch mit sich, daß das Kümmern um die lebenserhaltenden Dinge, wie Lebensmittel, Energieversorgung, also Wasser, Strom im Rahmen der allgemeinen vorhandenen Versorgung abliefen. Woher die Dinge des täglichen Bedarfs kamen oder wie sie hergestellt wurden, war Richard nicht immer so klar. Dieses Wissen passte in den Rahmen der allgemeinen Wissensbereichen eines in dieser Zivilisation lebenden Menschen der nördlichen Halbkugel Erde.

Manchmal fragte er sich, wie das wohl mit den Äpfeln ist?

Also, es gab das ganze Jahr Äpfel, aber Äpfel aus dem "Alten Land" (einem Obstanbaugebiet in Norddeutschland) Äpfel aus Australien, Äpfel aus Südafrika und aus Chile, aber weshalb es keine Unterbrechung gab, war Richard nicht ganz klar.

Klar war ihm nur, daß die Mitglieder seiner Familie gerne Äpfel aßen und er, weil er auch der Einkäufer der Familie war (in bestimmten Dingen) immer wieder neue Äpfel anschleppen (einkaufen) mußte und er feststellte, wie teuer diese doch auch sind.

Das ging ganz schön ins Geld, dieser ständige ununterbrochene Apfelkonsum.

Mit anderen Obstsorten war das fast genauso. Bis auf richtige Südfrüchte, die tatsächlich nur zu Weihnachten richtig auf den Markt kamen, wo sie auch um so besser schmeckten und besonders gut und saftig waren.

Na,ja....

Die Sonne prallte auf Richards unbekleideten Körper. Seine Beine lagen langgestreckt auf der Campingliege und er sah die Wiese entlang zu den Birken und Sträuchern, die sich in ungefähr zwanzig Metern Entfernung im lauhen, warmen Wind bewegten. Richard war ein Anhänger der Freikörper Kultur. Dies machte ihn ein wenig anders als die anderen Menschen, was das Gefühl anging, mit seinem Körper nackt durch die Gegend zu laufen. Natürlich funktionierte dieses nur in abgegrenzten Gebieten. Viele Menschen mochten ihren Körper nicht zeigen oder hatten eben eine andere Lebenseinstellung zu ihrem Körper. Seine Familie war in dieses Leben hinein gewachsen und es gab dabei nirgendwo Probleme.

Richard hörte das Summen und Schwirren von Fliegen und Bienen, Wespen und anderen nicht immer erkennbaren Kleintieren. Manche Tiere waren so klein das sie kaum zu sehen waren.

Der Busch von Forsytzien, der jedes Jahr im Frühjahr so herrlich gelb blühte war jetzt in seiner Größe so gewaltig, das Richard in der Sonne blinzelnd, überlegte, weshalb der Busch eigentlich so groß wuchs, jedes Jahr aufs Neue und fast immer wieder von den Hasen und Rehen in besonders harten Wintern bis fast auf die Grundwurzeln abgenagt wurde und im Frühjahr wieder so herrlich aus den braunen, teilweise abgenagten Stengeln wuchs und blühte, als wäre er nie so kahl gefressen worden.

Es waren schon Wunder der Natur, die Richard sich in seiner Ruhe die er jetzt hatte so ganz ungestört betrachtete.

Wenn ich mir vorstelle, dachte Richard, ich würde so kahl gefressen werden , ich würde sofort daran sterben. Was kommen mir doch für komische Gedanken auf einer knarrenden Campingliege im Sonnenschein.

Es war Vormittag und das tatenlose Herumliegen war schon mehr als angenehm. Irgendwann wird es Mittagessen geben!, dachte Richard.

Constanze Meister klappperte schon in der kleinen Küchenzeile mit den Töpfen und Pfannen herum und die ersten gerösteten Zwiebeln ergaben schon einen herrlichen Vorduft auf eine köstliche Fleischmahlzeit.

Heute sollte es Steak geben. Das Fleisch hatten sie sich heute Morgen frisch aus der Schlachterei im Supermarkt geholt.

Immer wieder zwischendurch dachte Richard daran, wie gut man es doch hatte mit der einfachen Versorgung aus einem Supermarkt.

Ihn wunderte es auch, daß ihm dieser Versorgungsgedanke nun schon heute Vormittag häufiger gekommen war, ohne daß dafür irgend eine Notwendigkeit zu erkennen war. Recht seltsam, dachte Richard.

Ein frischer Windzug hob ein wenig die Zeitung aus ihrer geruhsamen Lage auf der Wiese. Irgendwie hatte Richard das Gefühl, er sei etwas kleiner geworden, also insgesamt, denn seine Fußspitzen hatten noch vorher in der Liegehaltung das Ende der Liege gut erreichen können und jetzt waren die Zehen wohl gut vier Zentimeter vom Ende der Liege entfernt.

Richard rutschte etwas nach und beruhigte sich schnell damit, daß dies wohl vom Hochrutschen gekommen war. Dieses Spiel der Ameisen auf der Wiese war immer wieder faszinierend anzusehen. Die winzigen schwarzen Wiesen Ameisen schleppten eine tote Fliege, die etwa 4 mal so groß war wie sie selber durch das unwegsame Gestrüpp des Grases und Mooses. Sie ließen sich wenig stören, als Richard mit einem Grashalm ihren Weg ein wenig kreuzte.

Also, Tierquäler bin ich nicht, dachte Richard so vor sich hin, aber meine menschliche Größe hat schon etwas Erhabenes gegenüber diesem kleinen Krabbeltier, dachte er.

Für diese Ameise ist ein Birkenblatt wie ein riesiges Hausdach. Wenn sie darin wohnen würde, wie ich in meinem Haus, wäre dies ein sehr interessantes Studienobjekt, also alle Ameisen wohnen wie wir, Familie Fischer Ameise geben sich die Ehre zum Kaffee oder zur Hochzeit einzuladen, unvorstellbar, aber doch reizvoll, .....sinnierte Richard so vor sich hin.

Es war jetzt 12:30 geworden und Richard fühlte ein etwas müdes und schläfriges Gefühl in sich und machte die Augen zu. Durch die geschlossenen Augenlieder spürte er die Wärme und Helligkeit der strahlenden Sonne und er träumte so leicht in sich hinein.

Er wurde durch einen seltsam klingen Aufschrei geweckt, der von seiner ach Jahre jungen Tochter Maike kam, die auf dem Rasen gelegen hatte und zwischen durch mit Buch und Kasettenrecorder ein wenig jugendliche Kultur in sich aufgenommen hatte.

Papi ich werde kleiner!, rief Maike. Maike hatte diesen Ausruf weniger als angstvollen, noch als fröhlichen Schrei, sondern eher etwas erstaunt von sich gegeben.

Papa, ich fühle mich so, als ob ich kleiner geworden bin! Meine Schuhe rutschen mir von den Füßen und irgendwie finde ich den Baum jetzt etwas größer als sonst?? sagte Maike in einem etwas fragenden Ton.

Richard blinzelte zu seiner achtjährigen Tochter und fragte sich, ob er nun aufbrausen sollten, was ja gar nicht seine Art war, oder diese Sache ernsthaft betrachten sollte. Wieso bist Du kleiner geworden? Wenn ich das sagen würde, bei meinem Alter oder Mama?

In diesem Moment spürte Richard seinen Ehering an seiner rechten Hand als sehr viel lockerer sitzend als sonst. Ebenso hatte er daß Gefühl, seine Füße seien wieder ein wenig mehr vom Ende der Liege abgerückt. Sollte dies vielleicht mit der Witterung zusammenhängen, sodaß die lange Trockenheit die Haut und den Körper so ausdörrt,das sich dieses so bemerkbar macht?

Das ist doch überhaupt gar nicht denkbar? So ein Quatsch habe ich ja noch nicht einmal geträumt!

Richard setze sich in seiner Liege aufrecht hin und ihm fiel die Sonnenbrille von der Nase und den Ohren auf den Rasen.

Jetzt sogar schon mein Kopf, aber was passiert da? murmelte er ganz benommen, besorgt und erstaunt.

Ich habe das Gefühl, Maike hat recht!!! Irgendwie bin ich zusammengeschrumpft!!

Oh Du meine Güte, wie kommt denn das. Was hat denn das zu bedeuten?? Richard stand auf und bewegte sich auf Maike zu. Als er erkannte, daß sich tatsächlich etwas ereignet haben mußte, das sich irgendwie die Größen veränderten erfolgte der erste Angstschauer........

Was jetzt, sprach Richard etwas aufgeregt, was jetzt??

Constanze, Constanze, rief er seiner Frau zu, wir schrumpfen, wir sind am schrumpfen und das jetzt schon seit einer Stunde...

Dies war ein Moment höchsten Erstaunens, höchster Erregung und einer Angst, die noch nicht begreifbar war für Richard Meister.

Der Prozeß schreitet voran....

Was hatte sich ereignet in den vergangenen 4 Stunden? Welche Ängste hatten sich für alle aufgetan, die plötzlich bemerkten, das sich ihre Körper immer mehr zu einer Größe zusammenzogen, die einmal für jeden unerklärbar, aber natürlich angstverbreitend auf die ganze noch überschaubare Region aus wirkte.

Richard hatte seine Familie so schnell es ging zusammengeholt und alle hatten verfolgt an sich und an den anderen, wie unglaubhaft schnell ihre Körper immer kleiner wurde.

Dieses Zusammenschrumpfen trat nicht mit körperlichem Unwohlsein in Verbindung, sodaß der Prozeß nur allein durch die Vorstellung, was jetzt passieren würde eine Dimension bekam, der unsere fünf Menschen im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr "gewachsen" waren.

Die Nachbarn zur Linken hatten sich genauso erschrocken über die Tatsache der Verkleinerung in ihr Auto gesetzt und waren nach Hause gefahren. Eine Erklärung konnten sie sich dafür auch nicht geben, aber man sprach vom "Jüngsten Gericht", das über uns gekommen sei und von einem Fluch, aber damit konnte keiner eigentlich so recht was anfangen.

Mittlerweile ware die Körper auf eine Höhe von ungefähr 1 Meter zusammen geschrumpft und die Schwierigkeiten, die sich auftaten, mit der Umwelt klarzukommen wurden immer größer.

Nachdem man sich aus der erschreckenden Tatsache einigermaßen herausgeredet hatte wurden die Auswirkungen auf den weiteren Verlauf dieser allgemeinen Verkleinerung deutlich.

Es waren jetzt drei Stunden vergangen und Richard hatte nicht untätig herumgesessen, sondern war zu den weiteren Nachbarn gelaufen um dort die gleichen Veränderungen festzustellen.

Wir sollten jetzt doch mal tatsächlich die Polizei anrufen, oder zumindestens nach fragen, irgendwo bei einer Behörde, was hier passiert und was jetzt zu tun ist!

Der Nachbar, der das sagte war ein bislang großer immer freundlich und sehr kräftiger Mensch, dem eine vernünftige Handlungsweise bei solchen Fällen wie diesem sicherlich leicht von der Hand gehen würde.

Auf solche Menschen mußte man jetzt bauen, dachte Richard.

Alsdann gingen beide zum Haus und merkten schon, wie schwierig es war an die Türklinke zu kommen.

Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Menschen in etwa um die Hälfte ihrer ehemaligen Körpergröße geschrumpft und dies auf der ganzen Welt. Dies wußten aber unsere Menschen von denen ich hier erzähle nicht. Nur das, was sie an sich selber feststellen konnten, war, das was zu begreifen war, und dies zu begreifen war nicht möglich und unvorstellbar einschneidend.

Weshalb und wie dies so geschah war aber nicht zu ergründen. Trebron Ekaas 05/2001






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