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Cover... zu diesem Buch... Grenzen, ein Vorwort... Reise nach Antonien... Ausflug... Schreiben... Sonnenbad... Philosophien... Es beginnt... Finden... Leiden... Sprechen... Geräusche... Am Ende... Zum Autoren...

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Es beginnt



Es begann mit einem üblichen Grummeln und Zittern der Wände und Gegenstände. Ich machte mir keine unnormal großen Gedanken, sondern legte die Zahnbürste auf den Waschtischrand.

Weshalb auch Gedanken?

Es war ja normal, dieses zwischenzeitliche Zittern und Beben...

...die Zahnbürste zitterte, ich wollte aus dem Bad, es zitterte etwas mehr, grummelte und knallte... Glas splitterte... das war nicht mehr normal... waren meine blitzartigen Gedanken...

...die letzten Eindrücke die ich bewusst wahrnahm, das Licht flackerte und verlöschte, der Boden schwankte, die Decke brach und knisterte... in der dunklen Finsternis... ich fühlte Ohnmacht statt Stärke... ich fiel, nackt wie ich war nach dem Duschen auf den Boden... dann Stille...

...mein erster Gedanke war ...so ist es also, wenn man stirbt oder gestorben ist?! Ich wusste nicht wo ich war und was geschehen ist. ...viele meiner Gedanken waren wie ausgelöscht... keine bekannten Geräusche...

...um mich herum absolute Dunkelheit, Totenstille, keine Wärme, keine Kälte, nur ich, scheinbar ohne Körper, nur der Geist wachte auf aber dennoch wohl tot?

Ich spürte keinen Schmerz! Als hätte sich die Erde verschoben und mich in einen tiefschwarzen Grund gestoßen.

Aus der Dunkelheit des Raumes, dessen Größe ich nicht orten konnte, spürte ich einen schwachen Luftzug, so wie ein Hauch des Todes, waren meine Gedanken, nicht sonderlich kalt, aber auch nicht warm. Blutwarm?

Ich störte mich an dem Gefühl etwas zu spüren, der Boden auf dem ich lag war kalt und knirschte wie nach Sand und Stein oder auch Glas. Bruchstücke eines Erdbebens? Stücke aus den Wänden oder des Waschbeckens? Langsam kam eine Erinnerung wieder durch.

Ich lebte wohl?!

Leben in einem mir unbekannten tiefdunklen Raum von seltsamer Größe? Ohne Geräusche, stauberfüllt. Ich flüsterte, erhaben von den Gefühlen die durch meinen Körper schossen und sich im Kopf ver-dichteten. Langsam fühlte ich wie sich meine Beine und Finger bewegen konnten.

Ich tastete mit den Händen meinen Körper entlang, fühlte und ertastete Stoff, ein Handtuch, ähnlich einem Handtuchstoff, voller Staub und mit Sandkörnern durchsetzt. Um mich herum Dunkelheit, tiefste Finsternis, erschreckende Einsamkeit.

Wo war ich?

Was ist passiert?

Ich konnte nichts sehen, absolut nichts. Ich konnte keine Zeit erkennen und war nicht in der Lage zu erkennen was war.

Verletzungen hatte ich wohl keine und konnte wohl alles ziemlich schmerzfrei bewegen. Ich spürte zwischendurch wohl mal einen Luftstrom der aber sehr schwach war, fast wie gar nicht vorhanden. War es vielleicht mein eigener Atem der zurückkam von einer über mir liegenden Wand oder Decke?

Die kleinste Erinnerung kam aus einem sonnen-durchfluteten Strand auf dem sich einige Menschen fröhlich bewegten.

Ich wollte die Dunkelheit durchbrechen und überlegte, ob ich Licht oder Feuer bekommen könnte. Nein, es gab da keine Chance! Ich erinnerte mich an meine Situation vor meiner Ohnmacht, die ich ja noch nicht einmal bewusst wahrgenommen hatte.

Mit den Armen fühlte ich nach oben und zur Seite und griff ins Leere. Das heißt, der Raum um mich herum musste noch größer sein als mein Körper,. Das war positiv!

Ich versuchte zu flüstern und zu zischen um die Raumgröße zu orten. Ich traute mich nicht zu rufen, um bloß keine Erschütterung zu erzeugen.

Es kam kein Nachhall aber auch kein Geräusch, welches mir ein wenig von der Raumgröße vermittelte. Ich fühlte mich lebendig begraben... Pharao in der Pyramide! Im Sarkophag, atmend und nach Wochen vielleicht verdorrt und natürlich tot ausgegraben!

Meine Erinnerung brachte mir den Weg in die letzten Geschehnisse vor meiner Ohnmacht. Es mußten Stunden vergangen sein. Mein Zeitgefühl war total durcheinander.

Ich war im Bad, nach dem Duschen, erinnerte ich mich, ein Zittern, ein Beben... Erdbeben und Einsturz des Raumes...

...in mir tobte die Angst hoch. Eingeschlossen in einer Kaverne, weiß Gott, wie lange schon? Ohne die Möglichkeit hier je wieder heil heraus-zukommen? Begrabene Jugend, eingemauert in Beton und Staub, tot ohne richtig tot zu sein!

Gefühle grenzenloser Angst und Luftnot schnürte in mir alles zu. Nicht daran denken was passieren könnte, nur vorwärts sehen, positiv sein...

...hast du doch gelernt! ...in den vielen Seminaren!?

Ich bewegte meinen Oberkörper und versuchte die Handtücher zu fassen, auch damit meine Bodenlage etwas weicher wurde. Es waren zwei Tücher, ein kleines und ein großes, welches mir geblieben war. Daneben gab es noch eine Fußmatte die ich unter mich legte, nachdem ich zuvor den gefühlten Staub und die Sandkörner abgeschüttelt hatte. Das Schütteln erzeugte einen trockenen, aber in der Dunkelheit unsichtbaren Staub, der sich auf meine Atmung legte, aber es gab keine andere Möglichkeit.

Aufrichten war eine Bewegung. Fühlen, wo ich war, welche Umgebung mir für ein Überleben geblieben war. Vielleicht irgendwo Wasser? Oder es floss noch etwas aus der Leitung, falls ich das orten konnte?

Keine Geräusche, kein Klopfen oder irgendwelche Stimmen, nur Stille.

Erstmal orten, dachte ich. Jede Sekunde war wie eine Minute, mein Zeitgefühl war total hinüber.

Ich konnte mich aufrichten und sitzen. Um mich herum war Raum und ich fühlte weiterhin den leichten Luftzug der zu meinen Füßen von irgendwo herkam... also, es musste eben auch Frischluft kommen... vielleicht reichte dies, um nicht zu ersticken.

In dieser Richtung war die Tür des Bades gewesen, dachte ich, dort könnte es vielleicht ein Hinauskommen geben?

**

In die Stille hinein hörte ich zum ersten Mal ein sehr schwaches Rufen und Flüstern.

Hallo, hallo, ist da jemand?

Meine Gedanken tobten, mein Gefühl nicht alleine zu sein, erzeugte mir eine Stimmung, die meine über-mächtige Angst überdeckte.

Zukunft, Rettung?

Vielleicht nicht alleine sein in der ärgsten Not sterben zu müssen?

Natürlich, es waren ja auch andere Menschen im Hotel. Menschen von außen, selbst die an die ich mich vage erinnern konnte. Angst schnürte mir weiterhin die Kehle zu und ließ meinen Atem sehr unregelmäßig stocken.

Das Personal, die Menschen auf der Straße. Es gibt doch immer nach solchen Erdbeben Hilfskräfte, die sich nach sehr kurzer Zeit zusammenfanden und alles daransetzten, noch Überlebende zu orten und zu retten.

Weshalb nicht auch hier? Mit Suchhunden und Maschinen und Ortungsgeräten?

Ich muss meine ganzen Kräfte sammeln und eben sehr positiv darüber hinwegkommen in welche bedrängte, lebensgefährliche Situation ich jetzt hier auch geraten bin. Erstmal habe ich etwas überlebt, das ist schon mal positiv.

War es vielleicht ein Film? Das Kamerateam und der Regisseur und der ganze Filmstab standen 2 Meter entfernt hinter der Kulisse in dem komplett abge-dunkelten Raum? Ich könnte sofort hinausgehen wenn ich mich nicht wohl fühle!

Ich habe die Chance nach einem heißen Tee zu fragen, weil mir sehr kalt ist, ebenso mal eine Pause der Dreharbeiten zu fordern. Die Finsternis war durchbrochen durch ein schwaches Filmlicht, welches natürlich in einem Film ein Bild, eben mehr als Finsternis zeigen musste.

Man konnte tatsächlich drei Tage lang nur schwarze Filmstreifen filmen und sagen... so ist es eben, wenn man eine Erdbebenverschüttung filmt, finster und tödlich, ohne Geräusch des Alltags, nur dunkles Atmen und manchmal ein tock, tock, tock, das unregelmäßige klopfen von Stein auf Stein... Keine filmischen Höhepunkte aus dem Beben -verlies. Die Zeitungen brachten nur schwarze Bilder...

Einem Verlies als Gefängnis konnte man noch etwas abgewinnen etwas Essen und Wasser zu bekommen und es war eigentlich ausreichend groß um sich zu bewegen, die Arme zum Wärmen um den Körper schlagen und auch nicht nackt im Raum liegen zu müssen. Lieber zehn Jahre Kerker, als drei Tage Erdbebenverschüttung!! Lebt dieses, liebe Leute und denkt an eure Freiheit und an ein gutes Leben in dem ihr euch bewegen könnt.

Hallo, ist da wer?

Wieder eine angstvoll, leise Stimme aus dem Dunkel.

Ja, hörte ich mich antworten, ich höre dich! Wo bist Du?

Hilfe...!, kam es etwas lauter, aber immer noch leise und voller Angst, voller Hoffnung und Verzweiflung.

Hilfe..., ich weiß nicht, was ist!?

Ich bin hier, wo kann ich dich finden?

Hier, rief ich! Ich bin hier in einem dunklen Raum. Ich liege auf dem Boden! Kannst Du dich bewegen?

Ja, ich bewege mich, Gott sei Dank... das du da bist...

Kannst Du zu mir kommen, rief ich?

Ich weiß nicht, sagte diese ängstliche helle Stimme!

Bist du verletzt?

Irgendwie zitterte meine Stimme vor Aufregung.

Ich weiß nicht, ich glaube nicht... bei mir ist es pikeduster, ich kann nicht erkennen und auch nichts fühlen. Was ist passiert?

Es war wohl ein Erdbeben, rief ich in die Finsternis. Das Hotel ist zerstört, aber viel weiß ich nicht, ich kann das nur vermuten!

Wie heißt du?

Felicitas! Kannst du mir helfen?

Ich habe noch keinen Überblick, Felicitas... bist du alleine?

Ja, meine Eltern sind nicht im Hotel gewesen als es bebte und ich war im Schlafzimmer und dann ist alles runtergerutscht!

Ok, Felicitas, kannst du irgendwie an Licht kommen, Streichhölzer oder Taschenlampe?

Nein, hier ist alles nur dunkel und ich weiß gar nicht richtig wo ich bin.

Ok, Felicitas, bleibe bitte ganz ruhig und versuche keine Angst zu haben. Wenn wir leben und unverletzt sind, dann kommen wir hier ganz bestimmt raus... kannst du zu mir kommen oder ich zu dir? Wie groß ist der Raum in dem du dort bist?

Ich weiß nicht, aber wenn ich meine Hand ausstrecke, kann ich dich vielleicht greifen? Mir ist richtig kalt!

Ja, versuche mal deine Hand auszustrecken und ich mache es auch in die Richtung aus der du sprichst.

Wir streckten unsere Arme und Hände so weit es ging in die Richtung unserer Töne, konnten aber keinen Kontakt herstellen.

Ich kann nichts fühlen! Wie heißt du?

Ok, Felicitas, ich heiße Kevin, ich krieche mal in deine Richtung und du vielleicht auch in meine, ja?

Dir ist kalt, sagst du?

Ja, ich friere ziemlich. Ich habe auch kein Zeug an, weil ich auf dem Sofa im Schlafzimmer gelegen habe! Hast du eine Decke oder so was?

Nein, aber ich habe Handtücher, die werden dir helfen, wenn ich sie zu dir bringen kann oder kannst du versuchen hierher zu kommen?

Wir flüsterten etwas lauter, vielleicht auch aus Vorsicht, dass nicht noch irgendwas zusammen- brechen konnte. Wir mussten irgendwie klopfen um Zeichen von Leben von uns zu geben, aber erst einmal auch um gegenseitige seelische Hilfe zu geben.

Felicitas, kannst du irgendwie in meine Richtung kriechen?

Ja, ich will es versuchen!

Ich rufe dich oder pfeife am Besten!

Ok!

Ich pfiff und ich hörte in der Richtung meiner Füße ein Schaben und Scheuern

Schaffst du es? Kommst du?

Ja, ich schiebe mich vorwärts, es ist richtig kalt hier.

Ja, Felicitas, wenn wir es gemeinsam versuchen und uns unterstützen geht es bestimmt einfacher!

Kevin, ich freu mich so riesig, deine Stimme zu hören, ich versuche zu dir zu rutschen.

Es dauerte einen unbestimmten Moment meines Pfeifens und das Schaben von Stein, knirschen und ein Lufthauch, als eine kalte Hand meinen Fuß berührte.

Felicitas, du hast meinen Fuß zu fassen,! Ist es hoch genug weiterzurutschen?

Ja, ich glaube schon!

Ich konnte mich aufrecht hinsetzen und stieß ein wenig mit dem Kopf an die Decke. Felicitas hatte sich weiter geschoben und ich spürte ihre Hände an meinen Knien.

Liebe Felicitas, sagte ich mit einer kratzigen und gerührten Stimme, ich bin so was von glücklich hier in dieser Finsternis einen Menschen zu finden, das glaubst du gar nicht!

Felicitas war jetzt so weit in den "Raum" gekrochen, so dass ich sie in die Arme schließen konnte. Ich legte eines der Handtücher um sie und versuchte sie so gut es ging zu wärmen.

...ach es ist einfach wunderschön, dich zu spüren, sagte Felicitas.

...ja, flüsterte ich in ihr Ohr, ich finde es total schön dich hier zu haben. Ich würde mir wünschen wir wären nicht verschüttet, aber wir werden bestimmt gerettet!

Ja, Kevin, ich wünsche es uns ganz, ganz tüchtig, doch was müssen wir jetzt machen?

Ja, wir müssen klopfen und hören und klopfen und wir brauchen genügend Sauerstoff zum Atmen und auch Feuchtigkeit damit wir nicht verdursten!

Felicitas lag neben mir in dem größeren Bade-Handtuch notdürftig überdeckt. Ich hatte leider nur ein kleines Handtuch welches ich über mich gelegt hatte und versuchte auch etwas Wärme zu erzeugen indem ich meine Arme und Beine und meine Brust rieb.

Die Finsternis ließ uns nur ahnen, was um uns herum war. Wir konnten uns nicht sehen, sondern nur fühlen und merken. Ich hörte Felicitas atmen und war so glücklich darüber, dass ich sie streichelte und ihr sagte wie ich mich fühle.

**

Felicitas, bist du das Mädchen aus dem Flugzeug, weißt du mit dem Gepäck?

Ja, und du bist der Mann der meinen Koffer geschnappt hat?

Ja, das bin ich... Weißt du ich habe dich eigentlich Maja getauft. Irgendwie habe ich gedacht passt der Name zu dir!

Ach ja, ein netter Name, nenne mich ruhig Maja, weißt du! Kannst du mich in den Arm nehmen, ich friere so fürchterlich!

Ok, Felicitas, ich nenne dich gerne einfach Maja, Ok! Wenn du willst, dann lege dich einfach auf mich, dann können wir uns gegenseitig wärmen, mir ist, glaube ich, genauso kalt wie dir. Ich bin allerdings genauso nackt wie du. Ich kam gerade aus der Dusche und hatte mich abgetrocknet...

Ach ja, das macht nichts! Ich glaube wir müssen da einfach cool bleiben, ja?

Maja kroch an mich heran und legte sich auf mich und ich fühlte ihre fröstelnde Haut auf mir. Sie hatte ihr Bade- Handtuch über ihren Rücken gezogen. Ich strich und rieb über ihren Rücken und Po, rieb ihre Beine, soweit ich sie erreichen konnte. Wir wärmten uns soweit es ging langsam auf. Selbst meine streicheln-den Bewegungen brachten mir Wärme und lösten auch ein wenig meine Spannungen der letzten Stunden.

Wir waren so eng aufeinander angewiesen, dass wir fühlten, wie sehr wir dieses körperliche Beieinander brauchten ohne auch nur die leisesten Gedanken an Unschicklichkeit oder Moral zu denken.

Über Vorstellungen für Moral und den Regeln konnten wir uns ungeprüft hinwegsetzen. Es ging ums Überleben in einer Situation, die keine konven-tionellen, standardisierten Gesetzmäßigkeiten mehr zuließen.

Natürlich dachte ich darüber nach, welche Grenzen ich überschreiten würde, wenn ich jede natürliche Regel außer Kraft setzen würde mit Maja Berührungen auszutauschen, die im normalen Zustand strafbar und moralisch- gesellschaftlich verwerflich waren. So gelten Regeln für uns zwei zunächst in der Form als dass wir das was wir gemeinsam akzeptierten auch annehmbare Regeln sein konnten. Darüber wollte ich versuchen zu überleben, egal wie!

Ich streichelte ihren Kopf, ihren Rücken und Ober-schenkel und Beine, rieb ihre Füße und begann immer wieder von vorne und wurde so durch die Bewegung auch selber gewärmt.

Maja wärmte mich mit ihrem Körper, lag auf mir, drehte sich, strich und streichelte meine Körperseiten und brachte mir ein so wohliges Gefühl der Geborgenheit und ich dachte ich konnte es ihr genauso zurückgeben. Zum Glück war Maja eine zierliche recht leichte Person, so dass mich die Schwere ihres Körpers auf Dauer auch nicht er-drücken konnte

Weißt du, Maja, ich weiß nicht, wann wir die Chance haben hier heraus zu kommen, aber wir müssen alles tun, damit wir dies hier heil überstehen..., wir haben schon so viel Glück gehabt hier heil zu liegen. Ich bin felsenfest davon überzeugt dass wir es schaffen...

...ach, Kevin, ich bin so froh dich zu hören. Es ist so toll dich zu haben... das glaubst du gar nicht!

...und Maja weinte so bitterlich vor Freude oder vor Angst das ihre Tränen auf meine Brust tropften. Ich drückte Maja so eng es ging an mich und versuchte sie zu trösten und dadurch etwas mehr Hoffnung zu geben, die ich genauso benötigte.

Maja, lass mich buchstäblich deine Tränen trinken, denn wir brauchen Feuchtigkeit, damit wir nicht verdursten. Ich meine das im Ernst! Wenn wir länger als 48 Stunden hier sein müssen, dann brauchen wir was Flüssiges, weil wir eher verdursten können als verhungern. Ich möchte hier so schnell wie möglich raus, ja??

Ich verstehe dich, wenn ich etwas tun kann dann mache ich das, wirklich!

Außer unserem flüsternden Sprechen gab es immer noch keine Geräusche. Die Stille um uns herum war bedrückend und steigerte unsere Angst. Aber die Angst war geteilt und darüber zu sprechen fiele uns wahrscheinlich beiden sehr schwer.

Kevin, hast du auch so eine Angst wie ich?

Ja, ich habe genauso Angst wie du! Wir können aber zusammen versuchen uns Mut zu machen und wenn wir hier wieder heil und gesund herauskommen, dann lasse ich dich nie wieder los, egal was passiert, ist das gut?

Maja, schluchzte und weinte und ich spürte ihre Wimpern an meiner Wange, diese feuchten Augen und diese schreckliche Angst vor einer total unge-wissen Rettung oder eines schrecklichen Todes in dieser engen Kaverne eines zusammengestürzten Hotelbaus aus Beton.

Wie alt bis du, Maja?

Ich sage das nicht!

Weshalb nicht?

Ich möchte ein kleines Geheimnis behalten!

Ok! Ich kann das nur akzeptieren...

**

Was wir ja nicht wussten war die Tatsache, dass fast die gesamte Region sehr heftig von diesem Beben überrascht wurde und betroffen war. Das bedeutete, dass Tage vergehen konnten bis Hilfe auch mit schweren Werkzeugen und Baggern anlaufen konnte. So hatten wir Hoffnungen, die sich aus Vorstellungen nährten, die weit darüber lagen, als es in Wirklichkeit war. Aber die Hoffnungen sollten uns ja auch hochhalten.

Wann hast du eigentlich zuletzt etwas gegessen, Maja?

Ich glaube heute Nachmittag, wenn es überhaupt heute ist?

Ich kenne kaum noch eine Zeit, ich weiß nicht ob es jetzt Abend, nachts oder morgens ist, weißt du...! Welche Stunde haben wir wohl und welchen Tag?

Ja, Maja, ich kann meine Uhr nicht ablesen und mir fehlt einfach das Gefühl für die Stunden die vergangen sind und ich glaube es wohl so 24:00 Uhr. Als es anfing war es 20:00 Uhr, aber sicher bin ich mir überhaupt nicht.

Weißt du Maja, wir müssen klopfen! Es muss uns jemand hören. Vielleicht sind deine Eltern ja nicht betroffen und suchen schon nach dir? Wo waren deine Eltern denn?

Die waren außerhalb vom Hotel noch ein bisschen Spaziergehen, aber ich weiß nicht wohin oder ob sie in ein Haus gegangen sind.

Weißt du Maja, wenn sie dich suchen, setzen sie sicher Himmel und Hölle in Bewegung dich zu finden. Glaube mir, wir haben gute Bedingungen dafür, gefunden zu werden.

Weißt du auch, Maja, ich bin auch riesig traurig und glaube auch, dass ich weinen könnte, aber ich kann es nicht. Wenn es dich beruhigt, weine, schreie, bewege dich, mache alles was dir einfällt. Je mehr wir machen desto besser kommen wir über unsere Angst und Traurigkeit hinweg, ja, versprichst du mir das?

Ja, ok, ich weiß, schluchzte Maja und ich trank buchstäblich ihre Tränen in dem ich ihre Augen küsste und sie streichelnd an mich drückte.

Wir sind noch nicht tot und wir wollen hier raus, sagte ich immer wieder in die Finsternis unserer Gefangenschaft in dieser zusammengebrochenen Betonwüste.

Ja, Kevin, ich will genauso fest daran glauben wie du und ich wünsche es mir ganz, ganz tüchtig... ich habe dich sehr gern, Kevin! Ich habe dich schon gesehen als du ins Flugzeug gestiegen bist. ..und ich habe gedacht, dass du mich zu einem Eis einladen könntest... verstehst du das?

Ja, Maja, ich glaube ich verstehe das. Ich habe dich auch beobachtet, aber eigentlich wollte ich nicht unbedingt Kontakt mit dir aufnehmen, auch weil du ja noch ziemlich jung bist!

Ich suchte im Finsteren nach etwas mit dem ich klopfen konnte. Ich fand einen Rest von einer Fliese in der Hoffnung die Kanten waren nicht zu scharf, weil ich mir nicht die Finger aufschlitzen wollte.

Ich begann zu klopfen

tock, tock, tock

...immer im Dreier-Rhythmus was mir am sinnvollsten erschien.

Ich klopfe solange bis der Stein kaputt ist, sagte ich zu Maja.

Ich klopfe jetzt und wir lösen uns ab, ja, Maja?

Ok, Kevin und wann glaubst du hören wir dann auf?

Wenn wir gerettet sind, Maja, wenn wir gerettet sind.

tock, tock, tock,

Ich wünschte, ich hätte ein wenig Licht, Kevin. Ich habe alles voller Staub und es knirscht in meinem Mund, alles ist so trocken, bei dir auch?

tock, tock, tock

Ja, liebe Maja, versuche etwas Speichel zu machen und schlucke das ganze dann langsam herunter. Irgendwie ist jeder Tropfen Feuchtigkeit gut für unsere Organe wie die Nieren und die Leber. Die Organe brauchen Feuchtigkeit. Ich guck mal, ob irgendwo noch etwas Wasser raustropft. Wir sind ja im Badezimmer!

**

Maja war von mir gerutscht und sass scheinbar neben mir. Sehen konnten wir uns nicht, aber ich fühlte etwas Wärme an meiner Seite. Ebenso konnte ich Maja erschnuppern und sie duftete wie ein junges Mädchen eben duftet, obwohl die Situation auch Angstströme erzeugte, die einen anderen Duft verursachten als den normalen Alltagsduft.

Ist dir noch sehr kalt, Maja?



Ja, aber es geht schon besser. Du hast mich so schön warm gestreichelt, danke, danke sehr, Kevin.

Maja versuchte mich in der Finsternis zu berühren und mich zu küssen, traf meine linke Wange und ich fühlte ihre staubversetzten Wuschelhaare und ich war heilfroh Maja hier zu haben. Obwohl sie besser nicht hier wäre, dachte ich.

Ich fand in Richtung der Badewanne die Möglichkeit an den Wasserhahn zu kommen. Als ich ihn aufdrehte kam aber kein Wasser. Dann rutschte ich immer etwas vorwärts, seitwärts tastend an die Toilette. Dort fand ich im Spülbecken noch den Restbestand des Beckenwassers. Der Spülkasten war nicht erreichbar weil eingebaut und wahrscheinlich leer. Es gab noch Toilettenpapier, Eine Toilettenbürste und die Badematte auf der ich lag. Von meinen Badartikeln konnte ich außer einer Tube Sonnencreme und etwas Parfüm nichts richtig orten.

Ich überlegte und wusste um die hygienische Situation, dennoch war dieser Wasserbestand eine ausgezeichnete Möglichkeit ein paar Stunden Feuchtigkeit zu haben. Ich wusste ja, dass dies unbenutztes Wasser war und da ich immer sehr reinlich die Toilette putzte, gab es für mich auch kein Gefühl dies Wasser nicht zu nutzen. Ich tauchte meine Hand hinein und benetzte damit meine Lippen. Dann feuchtete ich meine Lippen nochmals an und versuchte die Feuchtigkeit hinunter zu schlucken.

Maja, auch wenn dir das eklig erscheint, in der Toilette ist etwas Restwasser, damit kannst du deine Lippen feucht halten und vielleicht ein paar Tropfen hinunterschlucken. Ansonsten müssen wir in der großen Not des Verdurstens eher unseren Urin nehmen und damit Feuchtigkeit in unseren Mund bringen. Wir müssen einfach die Grenze zu einer Ohnmacht aus Wassermangel prüfen. Sollte ich ohnmächtig werden, musst du mich wach klopfen, ich mache das auch mit dir. Wenn wir das mit dem Wasser nicht machen, trocknen wir ganz schnell aus...

tock, tock, tock

...ein weiteres Problem ist, wenn wir mal müssen. Ich suche mal nach einer Plastiktüte oder ähnliches. Vielleicht können wir diese nutzen, damit wir in der Dunkelheit nicht in unsere eigenen Exkremente treten. Oh, hoffentlich kommen wir hier schnell raus!

Kevin, ob ich noch mal zurückkrieche und gucke, ob ich noch etwas finde, was wir gebrauchen können?

Ja, Maja, eine gute Idee. Hast du eine Ahnung was für ein Raum das ist in den du gelegen hast?

Nein, ich war auf dem Sofa im Schlafzimmer, vielleicht gibt es da ein Taschenlampe oder irgendetwas Zusätzliches zum Anziehen.

Maja kroch fühlend und tastend durch den scheinbar sehr schmalen Durchgang zurück in ihr Apartment während des Bebens. Sie rief, was sie fühlte und fand ein Stück Stoff und eine Tasche mit undefinierten Teilen, die wir aber nicht nutzen konnten. Ansonsten war der Raum sicher nicht größer und schöner im Finsteren als das Bad es war, also kroch Maja mit den Sachen wieder zurück.

Scheinbar hatte sich die Betondecke gesenkt war aber beim Bad nur zur Hälfte heruntergerutscht. Wenn sie komplett gesackt wäre, hätte sie mich zermalmt. Eine reizende und ausgefüllte Vorstellung in dunkler Finsternis.

Ich zog Maja aus ihrem Kriechgang zu mir zurück und wir fielen uns in die Arme nicht ohne uns auf wärmende Weise zu drücken und zu streicheln, denn die Kälte war, trotzdem das wir in einem hitzeerfüllten Land waren doch sehr unangenehm. Ebenso kam immer wieder dazu, dass wir eine gegenseitige Unterstützung benötigten, sonst würden wir das seelisch gar nicht überstehen. Ich war so froh, dass ich mich um Maja kümmern konnte und vergaß darüber auch meine eigene Schocksituation.

tock, tock, tock

Ich sehnte mich nach Luft, Wasser, Sonne, Licht und Freiheit, was ich Maja auch mitteilte. Maja war sehr tapfer und trotz ihrer Jugend und meiner ehemaligen Voreingenommenheit für diese Teenie - Mädchen verständnisvoll und sehr realistisch. Sicher war dieses Abenteuer nicht der gewünschte Kick für die Langeweile.

Der Mensch wächst mit den Aufgaben war ja immer ein Spruch mir im Ohr saß, wie ein schlechter Scherz in dieser Situation.

Weißt du Maja, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, im Flugzeug, fand ich dich total langweilig und gelangweilt, jetzt finde ich dich richtig toll wie du das machst, ohne Zicken und so tapfer und großartig, eben toll.

Immer wieder war Zuspruch so wichtig für uns beide. Allein wäre ich wohl ziemlich verzweifelt gewesen, aber zu zweit hatte ich ein richtig gutes Gefühl der Zuversicht. Ich forderte alle meine Kenntnisse heraus möglichst die Versuche zu starten die notwendig sein könnten um die Körperfunktionen aufrecht zu erhalten.

Wir hatten das große Glück gehabt unverletzt den Zusammenbruch zu überstehen, weshalb nicht auch die Rettung? Rettung konnte nur von außen kommen

tock, tock, tock

Ich klopfte, auch um mich zu bewegen und wir streichelten uns gegenseitig immer wieder die Haut warm. Ich hatte beim Streicheln das Gefühl ich streiche über eine zwar staubbedeckte aber so zarte, empfindsame Haut, dass ich immer vorsichtiger wurde Maja nicht weh zu tun oder sie gar noch wund zu streicheln.

tock, tock, tock

**

Meine Gedanken kreisten immer wieder um die Möglichkeit der vielen Menschen im Hotel, die wahrscheinlich schwer verletzt oder tot unter den Trümmern begraben lagen. Wir konnten nicht hören ob es noch andere Klopfzeichen gab. Um uns war Stille, beängstigend auch für uns.

Die Stille war so bedrückend still, das wir unser beider Atmen so hörten als ob ein mittelstarker Sturm durch die Finsternis tobte. Maja brachte mich immer wieder auf den Boden der Tatsache, dass ich alleine wohl ziemlich verzweifelt diese grausige Situation überleben musste und ich war ihr so grenzenlos dankbar, dass ich sie dafür so zwischendurch kräftig drückte als dass ihr vielleicht die Luft wegblieb, aber ich ganz schnell im Überschwang meiner Erleichterung und des wundervollen Gefühls der Gemeinsamkeit mit dem Drücken einhalten konnte. Wenn ich erklären sollte, was ich in diesem Moment für dieses junge Mädchen empfand wäre es sicher nicht mit Worten zu beschreiben, was ich hier auch nicht versuche.

tock, tock, tock



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